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Stadtrat beschließt: Schlachthof Bamberg wird geschlossen

In der Vollsitzung des Gremiums am Mittwoch wird die Geschäftsführung mit der Stilllegung des eigenen Betriebs bis zum 30. Juni 2024 beauftragt

Die städtische Verwaltung und der Bamberger Stadtrat haben es sich nicht leicht gemacht. Am Ende steht jedoch der Beschluss, den Schlachthof Bamberg zu schließen. Er wurde am Mittwochabend nach vierstündiger, intensiver Beratung in der Vollsitzung gefasst. Vorausgegangen war eine sorgfältige, tiefgreifende und über ein Jahr laufende Analyse der aktuellen Situation, der Zukunftsperspektiven, des Investitionsbedarfs und der Förderkulisse sowie ausführliche Gespräche mit möglichen Partnern. „Das Ergebnis war eindeutig: Der Schlachthof trägt sich wirtschaftlich unter den gegebenen Umständen nicht mehr und würde die Stadt als alleinige Gesellschafterin auf nicht absehbare Zeit finanziell erheblich belasten“, erklärte Oberbürgermeister Andreas Starke die Entscheidung, die mit großer Mehrheit getroffen worden ist.

Außerdem einigte sich der Stadtrat auf die weitere Vorgehensweise: Die Verwaltung wurde beauftragt, zur Prüfung alternativer Nutzungsmöglichkeiten für das Schlachthofareal zeitnah ein Interessensbekundungsverfahren vorzubereiten und Kriterien hierfür zu erarbeiten. Dazu gehört auch, stadtinterne Lösungen näher zu untersuchen. Es sollen ebenfalls Interessensbekundungen für den Betrieb eines Schlachthofs nach dem „Fürther Modell“ zugelassen und geprüft werden. Das Ziel soll sein, das Interessensbekundungsverfahren möglichst noch vor der Sommerpause 2024 durchzuführen.

„Es fehlt die Perspektive“

Die Diskussion im Stadtrat beleuchtete viele Aspekte, die mit einer Schließung des Schlachthofs einhergehen: zum Beispiel die berufliche Zukunft von 165 dort arbeitenden Menschen, das Tierwohl der Schweine und Rinder aus der Region, die nun deutlich längere Anfahrtswege vor der Schlachtung haben, den Anspruch, einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten zu müssen, oder auch die Möglichkeiten, die sich durch ein freiwerdendes Grundstück mit denkmalgeschützten Gebäuden in guter Lage ergeben. „Es wurden alle Möglichkeiten und Optionen ausgelotet, um die seit 120 Jahren bestehende Einrichtung zu retten. Allerdings fehlte dafür eine gesicherte Perspektive, auf die sich für die nächsten Jahre bauen lässt“, fasste OB Starke die Sitzung zusammen.

Rückblick: Als der Schlachthof im Jahr 2020 vom städtischen Regiebetrieb zu einer GmbH umgewandelt wurde, haben sich auch die betrieblichen Rahmenbedingungen durch das „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ der damaligen Bundesregierung geändert. Das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in Schlachthöfen ab dem Jahr 2021 bedeutete, dass viele Mitarbeitende, insbesondere die Lohnschlächter, die bislang bei externen Dienstleistern beschäftigt waren, vom Schlachthof Bamberg übernommen werden mussten. Es folgten weitere Herausforderungen mit der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Krieges, die erhebliche Liquiditätsengpässe auslösten. „Schon damals musste die Stadt mit Krediten die Liquidität sichern“, erinnerte Wirtschaftsreferent Dr. Stefan Goller.

Auftrag für ein Zukunftskonzept

Im Lauf des Jahres 2022 stabilisierte sich der Betrieb mit Hilfe des neuen Geschäftsführers Julian Müller und der Unterstützung von Dr. Goller, die unter anderem höhere Schlachtentgelte bei den Großkunden aushandelten. Die erforderlichen Schlachtzahlen von rund 6000 Schweinen und 850 Rindern pro Woche wurden im Schnitt erreicht. Unter diesen Vorzeichen erhielten Stadtverwaltung und GmbH eineinhalb Jahre Zeit, um ein Zukunftskonzept für den Schlachthof zu entwickeln. Um den Jahreswechsel 2023/24 verschlechterte sich die Lage jedoch dramatisch, so dass die Entscheidung zur Zukunft des Schlachthofes vorgezogen werden musste.

Was war geschehen? Im Dezember 2023 kam es zu einem nicht vorhersehbaren Zahlungsausfall eines der beiden Großkunden im Rinderbereich. Damit die GmbH handlungsfähig blieb, sprang die Stadt ein und gewährte einen Kontenkompensationskredit von 400.000 Euro. Durch den Wegfall des Großkunden fehlten in der Folge 350 bis 400 zu schlachtende Rinder pro Woche, um die Planzahlen zu erreichen. „Der verbleibende Großkunde im Bereich Rind hat uns mehrfach zugesichert, die fehlende Menge schnell zu kompensieren, dies allerdings nicht erfüllt“, berichtete Geschäftsführer Müller. Die geringeren Schlachtzahlen bei den Rindern führen seitdem pro Woche zu einem Defizit von rund 40.000 Euro.

Viel Unsicherheit in der Branche

Hinzu kommt, dass sich zeitgleich die Konzentrationsbestrebungen in der Branche bundesweit verschärft haben. Müller betont: „Eine seriöse Einschätzung über die zukünftige Ausrichtung der Fleisch- und Schlachtbranche in Deutschland ist unter den massiv geänderten Rahmenbedingungen unmöglich. Es besteht sogar das nicht geringe Risiko, dass weitere Großkunden den Schlachthof Bamberg verlassen, um auf eigene Schlachtkapazitäten auszuweichen.“

Vor diesem Hintergrund konnte im Rahmen der Verhandlungen mit den Großkunden keine weitere substantielle Erhöhung der Schlachtentgelte erzielt werden. Höhere Einnahmen und langfristige Verträge sind jedoch für eine Fortführung des Schlachthofs notwendig und Voraussetzung, um die erforderlichen Investitionen in den nächsten Jahren tätigen zu können. So müssen zur Ertüchtigung der Schlachthof-Infrastruktur innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre rund 5 Millionen Euro investiert werden und perspektivisch weitere bis zu 7 Millionen Euro.

Auch von anderer Stelle blieb die erhoffte finanzielle Unterstützung aus. „Ende Februar 2024 stellten sowohl das bayerische Landwirtschaftsministerium als auch das Wirtschaftsministerium klar, dass eine Förderung des Freistaates für anstehende Investitionen am Schlachthof Bamberg aus bestehenden Programmen nicht möglich sei“, erklärte Dr. Goller. Der Anteil der öffentlichen Hand am Schlachthof dürfte dafür maximal bei 25 Prozent liegen, beträgt jedoch bei der Schlachthof Bamberg GmbH 100 Prozent. Eine Übernahme von 75 Prozent der Gesellschaftsanteile durch einen privaten Betreiber bezeichnete Dr. Goller angesichts der Marktlage als „unrealistisch“.

Bis zu 4,7 Millionen Euro Jahresverlust bei Fortführung

Mit dem Landkreis Bamberg und weiteren Landkreisen laufen bereits Gespräche über eine etwaige Beteiligung. Die Aussicht auf eine substanzielle finanzielle Beteiligung erscheine „derzeit völlig ungewiss“, zumal auch die zuständigen Landkreisgremien zustimmen müssten. Dabei stammen jeweils rund 25.000 der im Jahr 2023 geschlachteten Schweine aus den Landkreisen Bamberg, Haßberge und Coburg. Das entspricht 26 Prozent aller Schweineschlachtungen im Schlachthof Bamberg.

Wirtschaftsreferent Dr. Goller fasste zusammen: „Eine Fortführung des Schlachthofes Bamberg in der bestehenden Form wird unweigerlich zum Aufbau hoher Verluste führen. Zu erwarten sind sie in einer Bandbreite von mindestens 1,8 Millionen bis zu 4,7 Millionen Euro. Dabei sind die anstehenden Investitionen von bis zu zwölf Millionen Euro und die Gefahr, weitere Großkunden zu verlieren, noch gar nicht eingerechnet.“

Gedankenspiele ohne Erfolgsaussicht

Während der Stadtratssitzung wurden auch alternative Betriebsszenarien, wie zum Beispiel eine komplette Aufgabe der Rinderschlachtung oder eine Verkleinerung des Schlachthofes durch einen entsprechenden Um- oder Neubau diskutiert. Müller und Dr. Goller machten jedoch deutlich, dass diese Ideen nicht zu wirtschaftlich tragfähigen Lösungen führen werden und mit unabsehbaren Risiken sowie weiteren Investitionen verbunden wären. Völlig utopisch erscheint ein Neubau auf der Grünen Wiese, für den es weder Grundstück noch Investoren gebe.

Der Stadtrat teilte am Ende mehrheitlich die Auffassung von Aufsichtsrat, Geschäftsführung und Verwaltung, dass es für eine Fortführung des Betriebes keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive gibt. Die beschlossene Betriebsschließung trifft nun 127 Mitarbeitende der GmbH, zwölf Mitarbeitende, die von der Stadt Bamberg an die GmbH gestellt werden, und 26 Personen aus dem Sachgebiet Veterinärwesen im Ordnungsamt der Stadt Bamberg. Mit ihnen sollen nun zeitnah Gespräche geführt werden mit dem Ziel, eine Weiterbeschäftigung im Konzern Stadt individuell auszuloten. Wenngleich wohl nicht allen betroffenen Mitarbeitenden eine weitere Beschäftigung angeboten werden kann, „ist jedoch zu erwarten, dass in der Fleischbranche ein hoher Bedarf an Personal bei den umliegenden fleischverarbeitenden Betrieben besteht“, sagte Müller. Bei der Vermittlung und Ausarbeitung von Angeboten sicherte Müller zudem seine persönliche Unterstützung zu. 

Die Verträge mit Kunden und Dienstleistern können überwiegend kurzfristig beendet werden, so dass eine Einstellung der Schlachtungen bis Ende Mai erfolgen soll. Der Betrieb wird dann bis 30. Juni 2024 stillgelegt. Daraus werden sich voraussichtlich Kosten in der GmbH zwischen 2 bis 2,8 Millionen bis Jahresende 2024 ergeben, die von der Stadt Bamberg ausgeglichen werden müssen. Diese Kosten seien jedoch im Vergleich zu den drohenden Defiziten einer Fortführung zumindest kalkulierbar und würden zudem einmalig anfallen, so Dr. Goller.

21.03.2024