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ALLRIS - Vorlage

Berichtsvorlage - VO/2018/1879-61

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Beratungsfolge

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I.Sitzungsvortrag:

 

 

Idee der „Tiny-Houses

 

Der Begriff – Tiny-House – stammt aus den USA und beschreibt ein (sehr) kleines Haus auf Rädern. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund eines großen Landes einerseits und eines schlechten Altersvorsorgesystems andererseits. Hinzu kommt das amerikanische Selbstverständnis, Häuser einschließlich aller Möbel zu verkaufen und mobil und flexibel bleiben zu wollen. „Tiny Houses“ unterscheiden sich von Wohnanhängern dadurch, dass sie in Erscheinung und Struktur ganz bewusst als kleine Häuser gestaltet sind.

 

In „Tiny-Houses“ werden mehrere Ideen verbunden:

 

-          Den eigenen Wohnraum und Lebensraum bewusst auf die wichtigsten Grundfunktionen zu konzentrieren.

 

-          Den eigenen Wohnraum schuldenfrei zu halten.

 

-          Den eigenen Wohnraum weitgehend selbst erschaffen und instandhalten zu können.

 

-          Die Freiheit behalten, die Wohnumgebung wechseln zu können, ohne zugleich auch den eigenen Wohnraum verändern zu müssen.

 

-          Häufig wird der minimalistische Ansatz auch zusätzlich mit einem hohen Anspruch an Ökologie und/oder Selbstversorgung gekoppelt.

 

 

 

 

 

 

 

Beispiele:

 

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(peppermynta.de)

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(tumbleweedhouses.com)

Test

(timbercrafttinyhomes.com)

Test 2

(timbercrafttinyhomes.com)

Test 3

(newfrontiertinyhouse.com)

Test 4

(wohnwagon.at)

 

Tiny-Houses in Deutschland

 

Zentrale Ideen der „Tiny-Houses“, wie die bewusste Beschränkung auf das Notwendigste an Wohnraum und das Ziel eines schuldenfreien Wohnraums, fallen verständlicherweise auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Neben weitgehend selbst gebauten Tiny-Houses ist das Thema inzwischen auch als Marktsegment für Anbieter schlüsselfertiger Tiny-Häuser interessant geworden.

 

Beispiel A – GoTiny (Anbieter für mobile Tiny-Houses), Wohnfläche ca. 15 m², Preis ca.  37.900 €

 

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Grundriss

 

 

 

Beispiel B – Typ I (Anbieter - große deutsche Kaffeerösterei), Wohnfläche ca. 10 m², Preis ca. 39.999 €

 

Tchibo

 

Grundriss

 

Beispiel C – Typ Fanni (Anbieter - Wohnwagon), Wohnfläche ca. 33 m², Preis ca. 130.000 €

 

Fanni

 

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Dem Interessenten werden unterschiedliche Modelle angeboten. Die Palette reicht dabei vom einfachen bis zum luxuriösen Typus, was sich dann auch im Preis niederschlägt. Was das Erscheinungsbild betrifft, sind nahezu alle individuellen und „geschmacklichen“ Ansprüche bedienbar. Aus gestalterischer, architektonischer und städtebaulicher Sicht gibt es Anbieter, die in diesem Zusammenhang einen sehr hohen Wert auf diese Ansprüche legen.  

 

 

Grundsätzliche Einordnung in das deutsche Rechtssystem

 

Bauplanungs- und bauordnungsrechtlich kommt es nach der ständigen Rechtsprechung bei der Frage, wann ein Raum auf Rädern (Wohnwagen, Bauwagen, Schäferkarren, Verkaufswagen und auch Tiny-Houses) zu einer baulichen Anlage wird und damit nicht mehr dem Verkehrsrecht, sondern dem Baurecht unterliegt, nicht auf das Vorhandensein von Rädern an, sondern darauf, ob das Objekt tatsächlich mobil genutzt werden soll bzw. genutzt wird oder ortsfest genutzt werden soll bzw. genutzt wird.

Weil Tiny-Houses ihrem Selbstverständnis nach das Ziel haben, dem ständigen Dauerwohnen (als Erstwohnsitz) zu dienen, kommt hinzu, dass die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung sichergestellt werden müssen. Für Dauernutzungen ergibt sich aus dem Trinkwasser- und Abwasserrecht Anschluss- und Benutzungszwang an das öffentliche Ver-bzw. Entsorgungsnetz.

Die Zielsetzung des Dauerwohnens, der Anschluss an das Trinkwassernetz und der Anschluss an das Abwassernetz führen allesamt einzeln und gemeinsam dazu, dass Tiny-Houses in aller Regel erkennbar der ortsfesten Nutzung im Sinne des deutschen Rechtssystems dienen. Somit unterliegen Tiny-Houses sowohl dem Bauplanungs- als auch dem Bauordnungsrecht. Im Nachfolgenden werden Tiny-Houses daher entsprechend eingeordnet.

 

Tiny-Houses im Bauplanungsrecht

 

Beplanter Innenbereich

 

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans richtet sich die Zulässigkeit eines „Tiny-House“ nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes, die zumindest über die Art und das Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubaren Grundstücksflächen eine Aussage treffen. Ein sogenanntes „Tiny-House“ ist hier zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

 

 

Unbeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB)

 

In Gebieten mit baulichem Zusammenhang und ohne Bebauungspläne kann ein solches Vorhaben genehmigt werden, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben, das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

 

Außenbereich (§ 35 BauGB)

 

Im Außenbereich nach § 35 BauGB sind „Tiny-Houses“ generell nicht zulässig.

 

Sondergebiete, die der Erholung dienen

 

Auch in Sondergebieten, die der Erholung dienen (Wochenendhausgebiete, Ferienhausgebiete, Campingplatzgebiete) ist eine auf Dauerhaftigkeit angelegte Wohnnutzung nicht möglich. Folglich ist dort eine Errichtung von „Tiny-Houses“ nicht möglich, da Campingplätze keine Wohngebiete im Sinne der BauNVO sind und ausschließlich der Erholung und Freizeitgestaltung dienen.

 

Tiny-Houses im Bauordnungsrecht

 

Die Bayerische Bauordnung  (BayBO) definiert mit dem Art. 57 BayBO Verfahrensfreie Bauvorhaben. Verfahrensfrei sind laut Art 57 Abs. 1 Satz a) BayBO u. a. auch Gebäude mit einem Rauminhalt bis zu 75 m³, außer im Außenbereich. Dazu zählt auch die Errichtung eines Wohnraums (Wohngebäudes) z. B. mit den Grundmaßen 5 x 6 m und einer Höhe von 2,5 m. Im Falle einer Errichtung an der Grundstücksgrenze wäre wegen der ansonsten nicht eingehaltenen Abstandsflächen die Nachbarzustimmung erforderlich. Weiterhin sind die Brandschutzanforderungen einzuhalten. 

 

In Bezug auf die Erfüllung der Energieeinsparverordnung 2016 (EnEV) stellt sich die Situation so dar, dass in § 2 (Begriffsbestimmungen), Nr. 3 Gebäude mit einer Nutzfläche von höchstens 50 m² als „kleine Gebäude“ erfasst werden.

Im § 8 (Anforderungen an kleine Gebäude u. Gebäude aus Raumzellen) wird festgelegt, dass hier die Anforderungen der EnEV 2014, Anlage 3 (Anforderungen bei der Errichtung kleiner Gebäude) erfüllt werden müssen.

Da sich die Anlage 3 der EnEV 2014 zur EnEV 2016 nicht geändert hat, sind bei den kleinen Gebäuden folglich nicht die erhöhten Energieanforderungen der zuletzt gültigen Fassung der EnEV anzuwenden.    

 

Lebensstil/Wohnfläche/Wohnraumknappheit

 

Unsere Gesellschaft befindet sich in einer steten Weiterentwicklung. Besonders mit Blick auf die veränderten  individuellen Ansprüche (Selbstverwirklichung, größtmögliche Autonomie, Nachhaltigkeitsanspruch, Angst vor finanziellen Unsicherheiten, Altersvorsorge etc.) und im Kontext mit einer möglichst uneingeschränkten finanziellen Unabhängigkeit besteht derzeit eine große Nachfrage nach Wohneigentum. Allerdings bewirkt die hohe Nachfrage auch zugleich hohe Baupreise. Außerdem steht die hohe Nachfrage in direkter Konkurrenz mit dem begrenzten Angebot an potentiellen Bauflächen. Besonders in den Städten wird die Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben daher immer schwieriger. Die Schaffung kompakter und reduzierter Wohnformen kann hier eine sinnvolle Reaktion darstellen.

 

Auf den ersten Blick mögen Tiny-Houses daher als eine sinnvolle Reaktion auf die Wohnungsmarktsituation erscheinen. Wenn aber Tiny-Houses dort als Mini-Einfamilienhäuser auf mehreren hundert Quadratmeter Grundstücksfläche errichtet werden, wo freistehende Ein- oder Zweifamilienwohnhäuser zulässig sind, so handelt es sich bei Tiny-Houses um eine sehr flächenintensive Wohnform mit sehr geringer Einwohnerdichte.

Zwar werden weniger Baustoffe benötigt, als bei großen Häusern auf denselben Grundstücken. Kleine Tiny-Houses auf großen Grundstücken bleiben aber dennoch Luxuswohnen angesichts der finanziellen Werte, die allein im Grundstück stecken.

 

Grundsätzlich wäre es rechtlich auch zulässig, auf einem Grundstück innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche mehrere Tiny-Houses zu errichten. Dies setzt sicherlich zivilrechtliche Regelungen zwischen den Beteiligten voraus, was lösbar ist. Es ist aber fraglich, ob ein wirkliches Marktinteresse besteht, Tiny-Houses eng benachbart zu errichten, weil dies ein Stück weit der Grundidee von Freiheit und Individualität entgegenläuft. Zudem muss gesehen werden, dass sich der Energiesparvorteil kleinerer Gebäude dadurch wieder relativiert, dass die aktuellen Anforderungen der Energiesparverordnung nicht eingehalten werden müssen.

 

Der Blick auf die Baukosten zeigt für Tiny-Houses enorme Quadratmeterpreise. Da es sich um handwerkliche Unikate mit viel raffinierter Technik handelt, liegen die Preise für schlüsselfertige Tiny-Houses bei 4.000,00 Euro / m² und höher und dies ohne Grundstückskosten und ohne Erschließungskosten. Zu diesen Preisen können selbstverständlich auch kompakte Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau errichtet werden.

 

Aus fachlicher Sicht muss klar zum Ausdruck gebracht werden, dass der klassische Geschosswohnungsbau gegenüber Tiny-Houses hinsichtlich des Kosten-/Nutzenverhältnisses gerade im städtischen Kontext im Vorteil liegt.

 

Sollten künftig im ländlichen Raum auf großen und erschwinglichen Grundstücken vermehrt Tiny-Houses entstehen, so werden die Bewohner sehr wahrscheinlich auf denselben Grundstücken mindestens einen Pkw vorhalten, um die Lebensfunktionen des Arbeitens, des Einkaufens, der Dienstleistung, der Kultur und der Freizeit erreichen zu können. Die vermeintlich naturnahe Wohnform wird sich dann vor allen Dingen wieder in vermehrtem Kfz-Verkehr niederschlagen.

 

Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit solche extremen Kleinst-Wohnformen tatsächlich von einem Eigentümer dauerhaft bewohnt werden oder ob Tiny-Houses nicht eher als Zweit- oder Drittwohnsitz mit einem zeitlich absehbaren Aufenthalt realisierbar werden.

 

 

Fazit

 

„Tiny-Houses“ lösen gegenüber den konventionellen Wohnformen (Ein- und Zweifamilienhäuser, Geschosswohnungsbauten etc.) einen nicht zu unterschätzenden Flächenverbrauch aus. Die eingeschossigen kleinen Wohngebäude benötigen zwar geringe überbaute Grundflächen, bei Einbeziehung der notwendigen Freibereiche und den notwendigen Erschließungsflächen sind selbst bei hoher Dichte in der Summe sehr hohe Flächenansprüche je Einwohner zu konstatieren. Daraus ergibt sich zugleich, dass Tiny-Houses keine kostengünstige Altersvorsorge bieten, insbesondere angesichts der Grundstückspreise von Oberzentren.

Zudem sind auch hier notwendige Stellplätze nachzuweisen und eine aufwändige Erschließung (Medienversorgung, Entwässerung, etc.) muss für jedes einzelne „Tiny-House“ gewährleistet werden. Außerdem wird die Energieeinsparverordnung unterlaufen. Gerade unter sozialen und Nachhaltigkeitsaspekten sind Tiny-Houes kritisch zu beurteilen.

 

Grundsätzlich ermöglicht es das Planungsrecht, einen Bebauungsplan für ein Allgemeines Wohngebiet zur gezielten Errichtung von Kleinsthäusern aufzustellen. Dies wird von der Verwaltung allerdings nicht empfohlen. Die ständige Erfahrung des Bausenates mit bestehenden, älteren Bebauungsplänen zeigt vielmehr, dass die Wohnhauseigentümer in solchen Gebieten früher oder später nach Anbauten und Aufstockungen streben und damit in Konflikte mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes geraten.

 

Vorliegender Antrag

 

Zu diesem Thema liegt ein Antrag der SPD-Stadratsfraktion vom 02.06.2018 vor. (Anlage)

 

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II. Beschlussvorschlag

II.Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Bau- und Werksenat nimmt den Bericht der Verwaltung zu Kenntnis.

 

  1. Der Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 02.06.2018 ist damit geschäftsordnungsgemäß behandelt.

 

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III. Finanzielle Auswirkungen:

 

Der unter II. empfohlene Beschlussantrag verursacht

 

X

1.

keine Kosten

 

2.

Kosten in Höhe von  für die Deckung im laufenden Haushaltsjahr bzw. im geltenden Finanzplan  gegeben ist

 

3.

Kosten in Höhe von  für die keine Deckung im Haushalt gegeben ist. Im Rahmen der vom Antrag stellenden Amt/Referat zu bewirtschaftenden Mittel wird folgender Deckungsvorschlag gemacht:

 

4.

Kosten in künftigen Haushaltsjahren:  Personalkosten:  Sachkosten:

 

Falls Alternative 3. und/oder 4. vorliegt:

 

In das Finanzreferat zur Stellungnahme.

 

Stellungnahme des Finanzreferates:

 

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Anlagen

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