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ALLRIS - Vorlage

Beschlussvorlage - VO/2016/0584-10

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Beratungsfolge

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I.Sitzungsvortrag:

 

 

1. Ausgangssituation:

 

Die Echtzeit-Übertragung von Sitzungen kommunaler Gremien im Internet (sog. Livestream) beschäftigte bereits in der Vergangenheit die Kommunalverwaltungen. Mittlerweile liegen auch Erfahrungen verschiedener bayerischer Kommunen im Umgang mit diesem Instrument vor.

 

Mit Schreiben vom 07.04.2016 (Anlage 1) beantragte Herr Stadtrat Schwimmbeck einen solchen Livestream für alle Sitzungen der Gremien des Stadtrates einzurichten.

 

Die rechtlichen, praktischen und finanziellen Rahmenbedingungen der Einrichtung eines Livestreams wurden durch die Verwaltung wie folgt geprüft:

 

 

2. Erfahrungen anderer bayerischer Städte:

 

Ein Livestream wird aktuell nur von wenigen bayerischen Kommunen angeboten. Die Umsetzung unterscheidet sich teilweise. Dabei haben einige Städte den Livestream oder ähnliche Angebote nach einer Probephase auch bereits wieder abgeschafft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die städtische Pressestelle hat über den Bayerischen Städtetag eine Umfrage unter den bayerischen Städten durchgeführt. Danach bieten aktuell lediglich vier bayerische Städte (Ingolstadt, Passau, Pfaffenhofen, München) einen Livestream der Stadtratssitzungen im Internet an, davon Ingolstadt nur im Audio-Format. Grafisch ergibt sich folgendes Bild:

 

Titel: Livestream in bayerischen Gemeinden

 

 

Die Städte Regensburg und Coburg stellten die Übertragungen nach einer Probezeit wieder ein. In Regensburg wurde statt einer Live-Übertragung, eine nachträgliche Einstellung der Sitzungen des Ausschusses für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen sowie des Kulturausschusses ins Internet eingeführt.

Die Stadt Bayreuth plant wohl seit längerem einen Livestream. Hierfür wurde bereits eine halbe Planstelle geschaffen. Die tatsächliche Realisierbarkeit wird aber aus finanziellen Gründen als fraglich bezeichnet.

 

Nach den mitgeteilten Erfahrungen ist Hintergrund dieser Entwicklung vor allem die nur als sehr übersichtlich zu beschreibende Nutzerresonanz:

Nach den Erfahrungen der Städte mit Livestream nutzen zwischen 15 und 500 Zuschauern die Angebote. In Ingolstadt (etwa 130.000 Einwohner) hören durchschnittlich 500 Zuhörer die Vollsitzungen des Stadtrates und 60 die der Ausschusssitzungen. In Passau (etwa 50.000 Einwohner) gibt es, themenbezogen, zwischen 15 und 50 Zuschauern. In Regensburg (etwa 150.000 Einwohner) zwischen 80 und 436. Allerdings zeigt sich in Regensburg eine stärkere Nachfrage nach den Sendungen in der Mediathek, aufgrund dessen auch die Live-Übertragungen wieder beendet wurden und ausschließlich nachträglich Sitzungen im Internet veröffentlicht werden.

 

Ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass die Teilnahmezeit an den Live-Übertragungen wie der Mediathek mit fast ausschließlich unter zehn Minuten nur sehr kurz bemessen ist.

 

 

3. Rechtliche Rahmenbedingungen:

 

Datenschutzrechtlich gilt es zu beachten, dass es sich beim Stadtrat nicht um ein Parlament handelt, sondern ein Exekutivorgan. Daher gilt, dass jedes Stadtratsmitglieder, jeder Verwaltungsmitarbeiter und jeder Zuhörer ein Recht am eigenen Bild hat, welches bei Übertragungen beachtet werden muss.

 

Eine generelle datenschutzrechtliche Erlaubnis für die Sendung von Bild- und Tonaufnahmen ist nicht vorhanden. Rechtlich ist daher die ausdrückliche, persönliche Zustimmung jeder einzelnen Person notwendig, von welcher ein Bild bzw. Ton aufgezeichnet und gesendet werden soll. Diese Zustimmung kann auch nicht durch einen Mehrheitsbeschluss des Gremiums ersetzt werden. Die Zustimmung muss informiert und schriftlich erfolgen. Diese Auffassung, wird durch den Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz bereits seit 2003 (21. Tätigkeitsbericht) stringent vertreten.

 

Für den Fall einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes durch Tonbandaufnahmen von Presseorganen aus der Sitzung liegt umfangreiche Rechtsprechung u.a. des BVerwG vor.

Direktübertragungen wirken sich danach unmittelbar auf die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder des Stadtrates, der Zuschauer, der Bürger, deren Anliegen in den einzelnen Tagesordnungspunkten behandelt werden, und auf die der Mitarbeiter der Stadt sowie der Sachverständigen aus, die im Rahmen ihrer geschäftlichen Beziehungen zur Stadt mit ihren Sachvorträgen wichtige Entscheidungshilfen für den Stadtrat liefern.

 

Folgende Rechtsgebiete werden durch einen Livestream oder ähnliche Übertragungsmöglichkeiten tangiert:

 

Personalvertretungsrecht

 

Eine Liveübertragung kann Beteiligungsrechte des Personalrates berühren, da die Durchführung von Übertragungen im Internet als Einführung technischer Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten im Sinne des Art. 75 a Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) verstanden werden kann. In Straubing hat der Örtliche Personalrat seine Zustimmung zur Einführung der Internet-Übertragung verweigert.

 

Datenschutz

 

Die Live-Übertragung im Internet stellt eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine Vielzahl unbestimmter Personen dar. Eine Befugnisnorm hierfür existiert nicht. Das Interesse der Betroffenen daran, dass ihre personenbezogenen Daten nicht übermittelt werden, ist jedoch zu schützen.

 

Daher dürfen die Sitzungen und die individuellen Beiträge der Teilnehmer nur nach ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen im Internet übertragen werden. Dies gilt für Bild- wie Tonaufnahmen. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie freiwillig erfolgt. Eine Drucksituation in einer sozialen Gruppe kann dies bereits verhindern. Es bedarf also der ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung jedes Sitzungsteilnehmers.

 

Außerdem ist auszuschließen, dass einzelne Zuschauer erkannt werden können. Bürgerangelegenheiten müssen streng anonymisiert behandelt werden. Die Aufzeichnungen dürfen nicht unbefristet aufbewahrt und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Personenbezogene Daten - wie beispielsweise Aufnahmen von Personen - sind zu löschen, wenn sie nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt werden.

 

Presse- und Rundfunkfreiheit

 

Es besteht kein Anspruch der Presse auf eine bestimmte Art der Informationsbeschaffung (z.B. Tonaufnahmen) oder auf Herstellung einer Medienöffentlichkeit, die über Zuhören, Zusehen und Mitschreiben hinausgeht.

 

Rundfunkrecht

 

Je nach Umsetzung der Übertragung im Internet kann – bei Vorliegen einer journalistisch-redaktionellen Gestaltung wie beispielsweise der aktiven Auswahl von Bildern – die Übertragung als Rundfunk einzustufen sein. Als Ausschlusstatbestand müsste die Stadt gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) die Zugangsmöglichkeit zum Livestream so begrenzen, dass weniger als 500 Nutzer gleichzeitig das Angebot sehen können. Bei einer Einstufung als Rundfunk wäre eine Zulassung erforderlich, die aber an juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht erteilt werden darf (mit Ausnahme von Kirchen und Hochschulen). In jedem Falle müsste vor Inbetriebnahme eines Livestreams ein Antrag auf rundfunkrechtliche Unbedenklichkeit bei der Landesmedienanstalt gestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Praktische Umsetzbarkeit:

 

Für eine Übertragung der Sitzungen wären grundsätzlich zwei Varianten denkbar.

 

Variante 1: Fest installierte Kameras in den Sitzungssälen

 

Denkbar wäre das Anbringen einer oder mehrerer festinstallierter Webcams. Die Qualität von Bild und Ton wäre deutlich schlechter, als dies bei einer flexiblen Kamera der Fall wäre.

 

Variante 2: Einsatz eines Kamerateams

 

Denkbar wäre ein Kamerateam, das den Sitzungsverlauf aufzeichnet. Diese Variante wäre allerdings sehr kostenintensiv und würde möglicherweise auch ein störendes Element in den Sitzungen darstellen.

 

Bei beiden Varianten muss für Live-Übertragungen immer ein Mitarbeiter an den Kameras vor Ort sein, der bei Personen, die ihr Einverständnis für die Aufnahmen nicht erklärt haben, die Kamera und den Ton abschaltet. Für beide Varianten kommt die nachträgliche Bearbeitung des Materials für eine Mediathek in Frage, was zusätzlichen Aufwand bedeuten würde, allerdings auch die Möglichkeit böte, Teile des Mitschnittes zu entfernen – etwa bei fehlendem Einverständnis zur Veröffentlichung.

 

Aus Sicht der Verwaltung ist die Anbringung einer starren Kamera für die potentiellen Nutzer wenig attraktiv. Für eine lebendige und interessante Berichterstattung wäre der Einsatz einer mobilen Kamera mit wechselnden Aufnahmezuschnitten erforderlich. Dies hätte aber zwingend den Einsatz eines „Kamerateams“ zur Konsequenz. Weiterhin ist festzuhalten, dass fehlende Einverständniserklärung von Teilnehmern ebenso wie die Anonymisierung gesprochener Äußerungen praktisch zu nicht unerheblichem zusätzlichen Aufwand führen.

 

 

5. Kosten:

 

Eine Übertragung im Internet verursacht Kosten. Diese hängen maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahme ab. Generell fallen einmalige Kosten für die Anschaffung der technischen Ausrüstung, bzw. die Anmietung des Equipments bzw. einer Kamerateams, laufende Kosten für die Streaming-Plattform und schnelles Internet sowie ggf. auch Personalkosten an. Zur Kostenermittlung wurden die Erfahrungen anderer Städte sowie eigene Erhebungen herangezogen.

 

Für Variante 1, den Einsatz einer fest installierten Kamera, fallen danach einmalige Investitionskosten für die technische Ausstattung in Höhe von voraussichtlich 15.000 – 20.000 Euro sowie laufende Kosten für Streaming-Plattform und schnelles Internet in Höhe von voraussichtlich 5.000 – 6.000 Euro jährlich an. Zusätzlich werden noch personelle Mehraufwendungen für die Bedienung der Kamera und des Tons sowie für die Pflege einer Mediathek erforderlich. Diese werden mit monatlich 7.000 € bei einer externen Vergabe und mit etwa 35.000 Euro jährlich für eine halbe Planstelle zu beziffern sein. Eigene personelle Kapazitäten stehen derzeit weder beim Sitzungsdienst noch der Pressestelle zur Verfügung.

 

Für Variante 2, den Einsatz eines Kamerateams, kann auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgegriffen werden:

 

-          Bei der Stadt Regensburg fallen Kosten in Höhe von 2.500 - 5.000 Euro pro Sitzung an. Jährlich entstehen daher – bei einer Beschränkung der Übertragungen auf die Vollsitzungen - Kosten in Höhe von 60.000 Euro. Sollen die Sitzungen aller Gremien übertragen werden, entstünden deutlich höhere Kosten.

 

-          Bei der Stadt Ingolstadt fallen Kosten für die Übertragung eines Audio-Livestream, für sämtliche Gremiensitzungen, in Höhe von jährlich 11.000 Euro an. Eine Bildübertragung existiert nicht. Eine Vergleichsrechnung für einen Livestream sämtlicher Sitzungen kommt dabei zu voraussichtlichen Kosten in Höhe von 400.000 € im Jahr.

 

 

Generell liegen die Kosten der Angebote in anderen Städten zwischen 11.000 Euro und 50.000 Euro. Dabei werden in der Regel nur die Vollsitzungen übertragen mit Kosten in Höhe von 1.000 - 2.000 € pro Sitzung.

 

Für Bamberg lässt sich daher folgende Kosteneinschätzung ableiten:

 

-          Bei einer Übertragung nur der Vollsitzungen (ca. 10 pro Jahr) ist mit jährlichen Kosten in Höhe von 15.000 € zu kalkulieren.

-          Bei einer Übertragung der Sitzung des Stadtrates und der Senate (ca. 55 - 60 pro Jahr) ist mit jährlichen Kosten in Höhe von 82.500 €90.000 € zu kalkulieren.

 

Dabei gilt: Die Einrichtung eines Livestreams und – nur dies wäre auch sinnvoll – einer Mediathek verursachte Aufwendungen, welche nur mit zusätzlichem Personal bewältigt werden könnten. Auch hier kann auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgegriffen werden:

In Passau werden pro Sitzung unabhängig von allen anderen Kosten mindestens 3,5 Stunden Personalaufwand pro Sitzung veranschlagt. In Bayreuth wurde – obwohl das Projekt noch nicht umgesetzt ist – extra eine neue Halbtagsstelle geschaffen.

 

Haushaltsmittel hierfür stehen nicht zur Verfügung.

 

 

6.Fazit

 

Zusammenfassend müssen bei der Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet live und/ oder nachträglichem Abruf über eine Mediathek folgende Punkte berücksichtigt werden:

 

  • Es müssen die Einverständniserklärung aller Stadtratsmitglieder, sämtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sonstiger Teilnehmer eingeholt werden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und/oder Stadträtinnen und Stadträte sowie Besucherinnen- und Besucher, die nicht einwilligen, müssen herausgeschnitten bzw. die Übertragung aktiv blind und stumm geschaltet werden.
  • Zuhörer müssen unkenntlich gemacht werden.
  • Unpopuläre Meinungen könnten durch öffentliche Aufmerksamkeit weniger geäußert werden, dies widerspricht dem grundsätzlichen demokratischen Gedanken der Meinungspluralität.
  • Um nicht nur eine – für Nutzer nicht attraktive – Dauereinstellung, sondern wechselnde Bilder aus verschiedenen Perspektiven zu erlangen, ist der Einsatz eines Kamerateams mit tendenziell zwei Kameras notwendig. Hierfür fallen erhebliche Kosten an, für die keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen..
  • Egal ob Live-Übertragung oder Mediathek: Es ist eine Bearbeitung notwendig, um aktiv Personen nicht aufzunehmen bzw. von der Aufnahme zu entfernen, die ihr Einverständnis nicht erklärt haben.
  • Bei einem nachträglichen Einstellen der Sitzungen zum Abruf muss eine konkrete Löschfrist gesetzt und vollzogen werden.
  • Nach den Erfahrungen anderer Städte gibt es grundsätzlich nur ein geringes Interesse seitens der Bürgerschaft an der Übertragung.
  • Die Kosten stehen somit nicht in Relation zum prognostizierten Nutzen bzw. zum tatsächlichen, mittelfristigen Nutzerverhalten.

 

 

Die Stadtverwaltung kommt daher im Ergebnis zu der Empfehlung, die Live-Übertragung der Stadtrats- und Senatssitzungen nicht weiter zu verfolgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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II. Beschlussvorschlag

 

 

II.Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Finanzsenat nimmt den Sitzungsvortrag zur Kenntnis.

 

  1. Der Antrag von Stadtrat Schwimmbeck (BaLi) vom 07.04.2016 ist damit geschäftsordnungsgemäß behandelt.

 

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III. Finanzielle Auswirkungen:

 

Der unter II. empfohlene Beschlussantrag verursacht

 

X

1.

keine Kosten

 

2.

Kosten in Höhe von  für die Deckung im laufenden Haushaltsjahr bzw. im geltenden Finanzplan  gegeben ist

 

3.

Kosten in Höhe von  für die keine Deckung im Haushalt gegeben ist. Im Rahmen der vom Antrag stellenden Amt/Referat zu bewirtschaftenden Mittel wird folgender Deckungsvorschlag gemacht:

 

4.

Kosten in künftigen Haushaltsjahren:  Personalkosten:  Sachkosten:

 

Falls Alternative 3. und/oder 4. vorliegt:

 

In das Finanzreferat zur Stellungnahme.

 

Stellungnahme des Finanzreferates:

 

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Anlagen

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