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Inhalt
ALLRIS - Vorlage

Berichtsvorlage - VO/2021/3962-R6

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Beratungsfolge

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I. Sitzungsvortrag:

 

  1. Rechtlicher Rahmen:

Im Zuge der KAG Novelle 2016 (Änderung des Kommunalabgabengesetzes KAG) wurde in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG mit Wirkung zum 01.04.2021 eine 25jährige Höchstfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen eingeführt. Wie im Bau- und Werksenat am 13.06.2018 und im Stadtrat am 27.06.2018 bereits berichtet (Vorlage-Nr. VO/2018/1586-A6), gelten alle Straße, bei denen der Bau als Erschließungsanlage bereits begonnen, aber bisher noch nicht vollendet wurde, 25 Jahre seit Beginn der erstmaligen technischen Herstellung unabhängig vom tatsächlichen Ausbauzustand als erstmalig endgültig hergestellt (Fiktionsfrist). Dies hat zur Folge, dass diese Straßen mit Eintreten der Fiktionsfrist zum 01.04.2021 erschließungsbeitragsrechtlich nicht mehr unter die Beitragspflicht fallen und dementsprechend keine Erschließungsbeiträge mehr für die erstmalige endgültige Herstellung festgesetzt und erhoben werden dürfen, wenn seit Beginn der erstmaligen endgültigen Herstellung mindestens 25 Jahre vergangen sind.

 

Durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Bayern zum 01.01.2018 besteht für diese Straßen auch keine Möglichkeit mehr, bei zukünftigen Aufwendungen für Erneuerungs- bzw. Verbesserungsmaßnahmen Beiträge festzusetzen.

 

Der Fachbereich Baurecht Abteilung Erschließung hat, um drohende finanzielle Ausfälle für die Stadt Bamberg zu vermeiden, entsprechend den Handlungsempfehlungen des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 12.07.2016 eine Liste mit insgesamt neun Erschließungsanlagen (Straßen) für das Stadtgebiet Bamberg ermittelt, mit deren erstmaligen endgültigen Herstellung zwar bis 2016 begonnen wurde, die aber 2016 noch nicht fertiggestellt waren. Davon wiederum fallen sieben Erschließungsanlagen unter die gesetzliche Fiktionsfrist zum 31.03.2021.

 


Weil die 25 Jahre Höchstfrist seit 2016 auch für alle Erschließungsanlagen gilt, deren erstmalige Herstellung nach dem 01.04.1996 begonnen wurde, gilt für diese Anlagen nicht das Fiktionsfristdatum 01.04.2021, sondern ein je Anlage (Straße) individuelles Fristdatum nach dem 01.04.2021. Hierunter fallen zwei Erschließungsanlagen.

 

Da es für die Stadt Bamberg bis zum Ablauf der Fiktionsfrist am 31.03.2021 aus vielfältigen Gründen nicht möglich ist, alle Anlagen erstmals endgültig fertigzustellen, abzurechnen und Erschließungsbeiträge zu erheben, wurde für jede einzelne dieser Straßen zunächst im Hinblick auf den Eintritt der Fiktionsfrist jeweils eine gesonderte Bewertung vorgenommen, in welchem Ausbaustadium die Anlage sich befindet und inwieweit es zeitlich und wirtschaftlich sinnvoll und vertretbar möglich ist, unter Berücksichtigung der für die erstmalige endgültige Herstellung erforderlichen Investitionen, diese rechtzeitig erstmals endgültig fertigzustellen. Das Ergebnis dieser Bewertung wurde anschließend ämterübergreifend mit allen beteiligten städtischen Organisationseinheiten ausführlich erörtert.

 

Unter Abwägung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, vorhandenen personellen Ressourcen und den einzelnen Umständen der jeweiligen Erschließungsanlage wurde eine Prioritätenliste erstellt, in der die St.-Getreu-Straße im Hinblick auf den schlechten Ausbauzustand und die vorliegende Anliegeranliegen einerseits sowie die Höhe und der Einsatz der erforderlichen Aufwendungen zur Herstellung der St.-Getreu-Straße als Erschließungsanlage vor Eintritt der Fiktionsfrist andererseits, als höchste Priorität eingestuft wurde (vgl. VO/2018/1586-A6).

 

Der Bau- und Werksenat hat daraufhin in seiner Sitzung vom 16.01.2019 (Vorlage-Nr. VO/2018/1954-61) die Ausbauplanungen für die erstmalige endgültige Herstellung der St.-Getreu-Straße gebilligt und, da ein Bebauungsplan nicht vorliegt, den für die Errichtung von Erschließungsanlagen erforderlichen planersetzenden Beschluss nach § 125 Abs. 2 BauGB, der den Anforderungen des § 1 Abs. 4 – 7 BauGB entspricht, gefasst.

 

Nach Bereitstellung der entsprechenden Haushaltsmittel für die Erschließungsmaßnahme St.-Getreu-Straße durch den Stadtrat wurde die Bauleistung für die erstmalige Herstellung der St.-Getreu-Straße im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung nach VOB/A ausgeschrieben und das wirtschaftlichste Angebot von der Firma Strabag AG, Neudrossenfeld, beauftragt (vgl. VO/2019/2239-A6).

 

Die Baumaßnahme ist nunmehr seit kurzem ausgeführt und abgenommen. Die Schlussrechnung durch die Baufirma ist am 16.12.2020 bei der Stadt Bamberg eingegangen und wurde inzwischen geprüft.

 

  1. Erschließungsbeitragsabrechnung St.-Getreu-Straße

 

2.1.  Technische Herstellung

Gegenstand des Vorhabens war die Herstellung einer verkehrssicheren Fahrbahn einschließlich Gehweg. Mit der Maßnahme gingen die Ertüchtigung der Straßen- und Oberflächenentwässerung sowie die Herstellung ausreichend dimensionierter Abwasserkanäle und deren Nebenanschlüsse einher. Beleuchtung und Stromversorgung wurden erneuert. Im Zuge der Kabelarbeiten erfolgte auch die Leerrohrverlegung für die spätere Versorgung mit Glasfaserkabel.

 

Im Zuge der Maßnahme wurde der vorhandene Mischwasserkanal erneuert. Außerdem entstand erstmals ein Regenwasserkanal, um die geordnete Regenwasserabführung aus der öffentlichen Verkehrsfläche sicherzustellen. Der neue Regenwasserkanal verläuft durch die Grünfläche zwischen den Stellplätzen und durch die St.-Getreu-Straße und schließt auf den bestehenden Regenwasserkanal am unteren Bauende an.

 

Aufgrund des nie wirklich hergestellten Straßenunterbaus war ein Vollausbau der Straße unabdingbar, damit ein langfristig standfester Straßenkörper geschaffen werden konnte. Die Gehwegbreite beträgt in der Regel 1,50 Meter. Die beiden Bushaltestellen wurden barrierefrei ausgestaltet.

 

 

2.2   Ersterschließung

Eine öffentliche, zum Anbau bestimmte Straße war nach § 11 der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Stadt Bamberg vom 29.06.1961 endgültig hergestellt, wenn sie mit einer den Verkehrserfordernissen entsprechenden Straßendecke, Entwässerung und Beleuchtung versehen, dem öffentlichen Verkehr gewidmet und an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße angeschlossen war.

 

Nach § 10 dieser Satzung gliedern sich die erschließungsbeitragsfähigen Teileinrichtungen wiederum auf in

 

-          Erwerb der Erschließungsflächen

-          Freilegung der Erschließungsflächen

-  Herstellung der Straße, der Straßenanlage oder eines Platzes ohne Gehwegbefestigung, Entwässerungs- und Beleuchtungseinrichtungen, auch in Teilbreiten

-          Herstellung des Unterbaus der Straße oder der Straßenanlage

-          Herstellung des Oberbaus der Straße oder der Straßenanlage

-          Gehwegbefestigung

-          Einrichtungen für die Entwässerung der Erschließungsanlagen

-          Einrichtungen für die Beleuchtung der Erschließungsanlagen

-          Parkflächen und

-          Grünanlagen.

 

Für die St.-Getreu-Straße bestand zu keinem Zeitpunkt ein rechtsverbindlicher Baulinienplan. Der Umgriff der St.-Getreu-Straße oberhalb des Klinikums am Michelsberg (früher: „Städtische Irrenanstalt“, später: „Nervenklinik St. Getreu“) lag im Jahr 1934 im Geltungsbereich des Generalbaulinienplanes, in dem die St.-Getreu-Straße als „Außengebiet“ bezeichnet war.

 

Nach den vorliegenden Unterlagen wurde im Jahr 1909 in der St.-Getreu-Straße vor der „Städtischen Irrenanstalt“ im Bereich vom Michelsberg bis in etwa auf Höhe der Einmündung der Zuwegung „An der Kettenstraße“ ein Entwässerungskanal verlegt. Auf Grund dieser Tatsache und der Bebauung der dort anliegenden Grundstücke mit der damaligen „Städtischen Irrenanstalt“ (1908), nun: Klinikum am Michelsberg, und der Altenpflegeeinrichtung „Antonistift“, früher: „Haus der Unheilbaren“ (1886), hatte die St.-Getreu-Straße im oben genannten Bereich zum damaligen Zeitpunkt bereits sowohl den Ausbauzustand als auch die Funktion einer Anbaustraße und damit als Erschließungsanlage.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) liegt eine vorhandene (historische) Erschließungsanlage im Sinne des Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG vor, die gemäß § 242 Abs. 1 BauGB nicht mehr abrechenbar ist, vor, wenn die Straße zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war. (vgl. zum Beispiel BayVGH, Beschluss vom 21.11.2013 – 6 ZB 11.2973). Die St.-Getreu-Straße stellt deshalb unter Berücksichtigung dieser Vorgaben von der Einmündung „An der Kettenstraße“ abwärts eine sogenannte „Historische Straße“ dar mit der Folge, dass für diesen Straßenabschnitt keine Erschließungsbeitragsabrechnung mehr zulässig ist.

 

Anders stellt sich die Lage oberhalb der Einmündung von „An der Kettenstraße“ dar:

Hier bestand zwar seit Jahrhunderten eine Wegeverbindung in den Wald. Auch wurden ab den 1930er Jahren immer wieder einzelne Baugenehmigungen erteilt. Dennoch blieb der Bereich Außenbereich und die Straße blieb eine Landstraße. Eine Landstraße aber kann nie eine fertiggestellte Erschließungsanlage darstellen, weil sie nicht der Erschließung dient. Der Charakter von Außenbereich mit Landstraße geht aus zahlreichen Dokumenten hervor. Die Abwasserentsorgung der vereinzelten Anwesen erfolgte über Senkgruben.

 


Erst im Jahr 1958 wurde erstmals ein Kanal ab der Einmündung des Verbindungswegs zur Wildensorger Straße (bei der Einfahrt zur „Villa Remeis“) bis auf Höhe des Anwesens Am Bundleshof 2 („Bergschlößchen“) angelegt, im Jahr 1962 erfolgte der Bau eines Kanals von der oben genannten Einmündung als Verbindung bis zu dem oben genannten, im Jahr 1909, errichteten Kanal.

 

Mit den ab dem Jahr 1961 erteilten Baugenehmigungen sowie der parallel stattfindenden Verlegung von Wasser- und Abwasserleitungen vollzieht sich - ohne expliziten Stadtratsbeschluss - ein Funktionswandel zu einer Anbaustraße und damit zu einer Erschließungsanlage hin. Es kommt zu verschiedenen Ertüchtigungsmaßnahmen durch die Stadt, aber nie zu einer vollständigen, regelkonformen, erstmaligen Herstellung. Bis zum aktuellen Erschließungsprojekt fehlten Gehwege, eine geordnete Straßenentwässerung sowie ein regelkonformer Straßenunterbau. Dementsprechend gab es auch immer wieder Beschwerden der Anlieger, welche sich ein bauliches Tätigwerden der Stadtverwaltung wünschten.

 

2.3   Abrechnungsgebiet

Wie weit eine einzelne Erschließungsanlage reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem sogenannten „unbefangenen Beobachter“ vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Dies geschieht nicht anhand von Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder zeitlichem Ablauf von Bauausführungen, sondern ausgehend von einer sogenannten „natürlichen Betrachtungsweise“, anhand der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (ständige Rechtsprechung des BayVGH). Maßgebend ist dabei das Erscheinungsbild, das heißt die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, das bedeutet nach Durchführung der Herstellungsmaßnahme (Baumaßnahme), einem sogenannten „unbefangenen Beobachter“ bei „natürlicher Betrachtungsweise“ darstellen.

 

Abweichend vom Grundsatz der „natürlichen Betrachtungsweise“ kann eine Erschließungsanlage aus Rechtsgründen in zwei oder mehr jeweils gesonderte Erschließungsanlagen zerfallen. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn eine schon erstmalig endgültig hergestellte Straße oder eine sogenannte „Historische Straße“ um eine weitere nachträglich erstmal hergestellte Straße verlängert wird (vgl. zum Beispiel hierzu, BayVGH, Beschluss vom 27.01.2015 – 6 ZB 13.1128).

 

Wie unter Ziffer 2.2 bereits ausgeführt, stellt die St.-Getreu-Straße im Bereich von der Einmündung Michelsberg bis zur Einmündung „An der Kettenstraße“ eine sogenannte „Historische Straße“ dar. Somit fällt dieser Straßenbereich aus dem jetzigen Abrechnungsgebiet heraus, da die „Historische Straße“ als selbständiges Element zu betrachten ist und nicht nach Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden darf. Sie kann aus Rechtsgründen auch nicht mit einer Verlängerungsstrecke, die erst nachträglich erstmals endgültig hergestellt wird, eine gemeinsame Anlage bilden.

 

Das nunmehr zu Grunde liegende Abrechnungsgebiet der Erschließungsbeitragsabrechnung für die erstmalige Herstellung der St.-Getreu-Straße umfasst folglich den Bereich von Hausnummer 20 bis Hausnummer 56 und erschließt alle unmittelbar oder über eine gesicherte Zufahrt mittelbar anliegende Grundstücke.

 

Durch die jüngere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat sich nunmehr ergeben, dass auch die Anwesen und Grundstücke im Bereich von Hausnummer 20 bis Hausnummer 30 erschließungsbeitragspflichtig sind, was zu Beginn des Projektes 2018 noch nicht erkennbar gewesen ist. Der Kreis der Betroffenen hat sich folglich erweitert. Die zusätzlich Betroffenen sind entsprechend informiert worden.

 

2.4   Kosten

Zu den beitragsfähigen Kosten gehören grundsätzlich, alle tatsächlichen Kosten die für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage notwendig sind, aufgeteilt in die jeweiligen Teileinrichtungen (Fahrbahn, Gehweg, Beleuchtung, Straßenentwässerung, Grunderwerb, Straßenbegleitgrün).

 

Grundsätzlich nie beitragsfähig sind die Kosten

 

für Strom-, Gas-, Wasser, Telekommunikations- Infrastruktur.

 

Beitragsfähig sind die Kosten für folgende Teileinrichtungen:

 

Fahrbahn: ca. 1.308.000 €

Gehweg: ca. 450.000 €

Straßenentwässerung: (hier nur ein Anteil am Regenwasserkanal;): ca. 207.000 €

Verkehrsbegleitgrün: ca. 46.000 €.

Planungs- und Baunebenkosten incl. Kosten des Ingenieurbüros (anteilig aufgeteilt auf die jeweiligen Teileinrichtungen)

 

Nicht beitragsfähig sind bei dieser Maßnahme folgende Kosten:

 

Stellplatzflächen (erschließungsbeitragsrechtlich nicht erforderlich nach § 129 Abs. 1 BauGB)

Mischwasserkanal (bereits vorhanden, dieser wurde erneuert = keine erstmalige Herstellung)

Straßenbeleuchtung (bereits vorhanden und in den Jahren 1972 und 1981 erneuert)

Grunderwerb (da voraussichtlich nicht vollständig bis 31.03.2021 abgeschlossen)

 

2.5   Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes

Vom beitragsfähigen Erschließungsaufwand ist Kraft BauGB und § 5 Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Bamberg (EBS) zunächst ein städtischer Eigenanteil in Höhe von 10% abzuziehen. Die anderen 90 % werden auf alle erschlossenen Grundstücke (hier also von Hausnummer 20 bis 56) verteilt. Im vorliegenden Vorgang also eine Größenordnung von ca. 2,0 Mio. Euro. Dies geschieht in der Weise, dass die Grundstücksfläche eines jeden einzelnen Grundstückes mit einem Faktor vervielfacht wird (§ 6 EBS), der sich aus der Zahl der tatsächlichen oder planungsrechtlich zulässigen Vollgeschosse ergibt. Dieser jeweilige Faktor wird bei Vorliegen einer gewerblichen Nutzung oder vergleichbarer Nutzung um die Hälfte erhöht. Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage erschlossen werden (§ 7 EBS), erhalten eine sog. Eckgrundstücksvergünstigung von 2/3 der Grundstücksfläche soweit keine gewerbliche Nutzung vorliegt. Grundstücke, die planungsrechtlich nur untergeordnet bebaubar sind, werden mit 0,5 der Grundstücksfläche in die Verteilung einbezogen. Die Gesamtheit aller erschlossenen Grundstücke ergeben dann den sog. Gesamtbeitragsmaßstab. Der Anliegeranteil wird durch den Gesamtbeitragsmaßstab dividiert und ergibt den für den Erschließungsbeitrag zu Grunde liegenden Beitragssatz.

 

Die Höhe des Erschließungsbeitrages für das einzelne Grundstück errechnet sich damit wie folgt:

 

Schritt 1:

 

(Gesamtaufwand Anliegeranteil in €) dividiert durch (Gesamtbeitragsmaßstab aller erschlossenen Grundstücke m²) ergibt den Beitragssatz €/m².

 

Schritt 2:

 

Grundstücksfläche: m² multipliziert mit dem jeweiligen Grundstücksfaktor ergibt den Erschließungsbeitrag.

 

2.6   Erschließungsbeitragssatzung 2020 der Stadt Bamberg

Im Zuge der Änderung des Bayer. Kommunalabgabengesetzes (KAG) durch Gesetz vom 08.03.2016 (KAG-Novelle 2016) erfolgte auch eine Neufassung des Art. 5a KAG, wodurch die Festsetzung und Erhebung von Erschließungsbeiträgen von bundesrechtlichen auf nun landesrechtlichen Regelungen überführt wurde. Dies hatte zur Folge, dass Art. 5a KAG die neue landesrechtliche Grundlage für den Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung ist.

Gleichwohl gelten die bundesgesetzlichen Regelungen der §§ 123 bis 126 BauGB zum Erschließungsrecht nach Art. 5a Abs. 2 KAG uneingeschränkt weiter, und der Wortlaut des § 127 BauGB wurde nahezu wörtlich in Art. 5a Abs. 2 und 5 KAG übernommen. Dies führte u.a. dazu, dass die bisherige Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Bamberg vom 07.12.2000 geändert werden musste. Die neue Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Bamberg wurde daraufhin am 22.07.2020 vom Stadtrat (Vorlage Nr. VO/2019/2582-A6) beschlossen und ist mit Wirkung vom 01.09.2020 in Kraft getreten.

 

2.7   Erlassregelung

Im Rahmen der KAG-Novelle und der Übertragung des Erschließungsbeitragsrechts ins Landesrecht wurde mit Schaffung des Art. 13 Abs. 6 Satz 1 KAG den Städten/Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, in der Erschließungsbeitragssatzung eine Regelung aufzunehmen, dass Erschließungsbeiträge bis zu einem Drittel des zu erhebenden oder bereits erhobenen Betrags erlassen werden können, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlagen mindesten 25 Jahre vergangen sind und die Beitragspflichten im Zeitraum vom 01.04.2012 bis 31.03.2021 entstanden sind oder entstehen. Liegt der Zeitraum zwischen dem 01.01.2018 und dem 31.03.2021, so kann die Gemeinde/Stadt nach Art. 13 Abs. 6 Satz 2 KAG in der Satzung auch einen höheren erlassungsfähigen Anteil festlegen oder den Beitrag ganz erlassen.

 

Nach den Erläuterungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.07.2016 zur KAG-Novelle, Teil I, Ziffer 6, kann damit eine Gemeinde/Stadt zwar selbst entscheiden, ob und in welcher Größenordnung sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will. Bei dieser Entscheidung sind aber die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit zu beachten.

 

Diese Ermächtigungsgrundlage nach Art. 13 Abs. 6 KAG stellt eine besondere zusätzliche Form des (Teil-)Erlasses dar, der im Gegensatz zu dem in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a) KAG i.V.m. § 227 der Abgabenordnung (AO) oder in Art. 5a Abs. 9 KAG i.V.m. § 135 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Alternative 2 BauGB geregelten regulären Erlass nicht vom Vorliegen einer individuellen Unbilligkeit abhängig ist.

 

Die Stadt Bamberg hat von dieser Ermächtigungsgrundlage in der neuen Erschließungsbeitragssatzung in § 16 zunächst einmal allgemein Gebrauch gemacht. Die Zuständigkeit für die tatsächliche Entscheidung, ob, wann, wo und wenn ja in welcher Höhe die Stadt Bamberg von der Sondererlassmöglichkeit nach Art. 13 Abs. 6 KAG Gebrauch macht, trifft gemäß der EBS der Stadtrat.

 

2.8   Einordnung der Sondererlassregelung

Zu unterscheiden ist zwischen den grundsätzlichen abgaberechtlichen Möglichkeiten auf Stundung, Teilerlass oder Erlass einerseits und der Sonderregelung des KAG für Erschließungsanlagen andererseits, bei denen Beitragspflichten zwischen dem 01.04.2012 und 31.03.2021 bzw. dem 01.01.2018 und dem 31.03.2021 entstehen.

 

Stundungen (nur auf Antragstellung der Beitragspflichtigen) sind stets an die individuelle Belastbarkeit des betroffenen Beitragspflichtigen geknüpft. Dies rechtliche Möglichkeit besteht immer und in jedem Falle, selbstverständlich auch bei der Erschließungsbeitragsabrechnung der St.-Getreu-Straße.

 

Die Sonderregelung hingegen schafft ein befristetes Erlassrecht für ausgewählte Einzelstraßen. Weder Anlieger, die vor dem 01.04.2012 Erschließungsbeitragsbescheide erhalten haben noch Anlieger, die nach dem 31.03.2021 einen Erschließungsbeitragsbescheid erhalten werden, haben Aussicht, in den Genuss dieser Sonderregelung zu kommen. Erschließungsbeiträge sind nicht abgeschafft. Erschließungsbeiträge werden auch nach dem 01.04.2021 zur Erhebung kommen und zwar stets in vollem Umfang der 90 % erschließungsbeitragsfähiger Kosten. Von der Sonderregelung können also ausschließlich und nur Anlieger profitieren, bei denen die Beitragspflicht zwischen dem 01.04.2012 und 31.12.2021 entsteht. In ganz Bamberg betrifft dies ausschließlich und nur die St.-Getreu-Straße 20 bis 56.

Bereits hieraus wird deutlich, dass der Denkansatz des Gesetzes dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht. Die Stadt darf genau für eine einzige Erschließungsanlage einen Beitragserlass von bis zu 100 % aussprechen, aber für keine andere Erschließungsbeitragsabrechnung. Es wäre ein derartiger Teil- oder Vollerlass dem Rest der Stadtgesellschaft schwerlich vermittelbar.

 

Hinzu kommt die ministerielle Vorgabe, die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit mit zu beachten. Die konkrete finanzielle Situation der Stadt Bamberg ist hinlänglich bekannt. Jeder noch so kleine Erlass müsste letztendlich kreditfinanziert werden oder zwingend zu Lasten anderer Ausgaben erfolgen. Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband hat sich in seinem jüngsten Prüfbericht auch mit genau den neun Straßen der Fiktionsfristfallgestaltung explizit befasst und hierbei formuliert:

 

- „Der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gebietet es, kommunale Abgaben wie Erschließungsbeiträge zeitnah festzusetzen und einzuziehen (vgl. Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO und § 25 KommHV-Kameralistik). Darüber hinaus weisen wir auf die Ausfallrisiken hin, die sich aus den besonderen Ausschlussfristen für die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen ergeben:<…>

 

- Die Stadt Bamberg sollte im eigenen (finanziellen) Interesse zeitnah eine endgültige Herstellung aller beitragsfähigen Erschließungsanlagen anstreben und damit die Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für diese Anlagen schaffen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die für die Herstellung von beitragsfähigen Erschließungsanlagen entstandenen Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich refinanziert werden.“

 

Vor diesem Hintergrund steht die Verwaltung in der Pflicht, dem Stadtrat aus Gründen der Gleichbehandlung und der Leistungsfähigkeit des städtischen Haushaltes ausdrücklich zu empfehlen, von der Möglichkeit des Sondererlasses zugunsten der Beitragspflichtigen in der St.-Getreu-Straße keinen Gebrauch zu machen.

 

Hiervon unberührt sind ausdrücklich die individuellen Möglichkeiten der Stundung, des Teilerlasses oder Erlasses aufgrund der individuellen finanziellen Situation des jeweiligen Beitragspflichtigen.

 

2.9   Haltung der Betroffenen

Wenngleich der Corona-Lockdown den direkten Gesprächsaustausch nicht gerade erleichtert, hat die Stadtverwaltung das Gespräch mit den Betroffenen gesucht. Demzufolge vertritt ein Großteil der Erschließungsbeitragspflichtigen die Rechtsauffassung, dass die St.-Getreu-Straße bereits seit Jahrzehnten final erschlossen war und daher jetzt keine Ersterschließung erfolgt ist, sondern lediglich ein Straßenausbau, welcher nicht erschließungsbeitragspflichtig wäre.

 

Folglich erwarten die meisten Anlieger entweder eine Änderung der Rechtsauffassung der Stadt Bamberg oder - ersatzweise - einen Erlass nach § 16 EBS in Höhe von 100 % für alle erschließungsbeitragspflichtigen Grundstücke. Offenkundig sind sowohl die Rechtsposition der Anlieger, als auch die Rechtsposition der Stadtverwaltung mit Risiken behaftet. Daher wäre eine gütliche Einigung für beide Seiten im Interesse einer Risikominimierung vorteilhaft.  Allerdings liegen die Positionen denkbar weit auseinander. Aktuell besteht eine gewisse Chance, dass einige Anlieger auch bei einem Teilerlass von deutlich unter 100 % auf Rechtsmittel verzichten werden. Angesichts der engen Zeitachse und der coronabedingt erschwerten Kommunikation ist aktuell aber nicht vorhersehbar, ob am Ende eine Aussicht auf Einigung nur mit einigen wenigen oder mit vielen oder gar mit allen betroffenen Eigentümern besteht.

 

Es wurde mit den Anliegern abgesprochen, dass diese sich angesichts der Anhörungsschreiben, welche in der letzten Januarwoche auslaufen, eine konkrete Meinung bilden.


2.10    Weiteres Vorgehen

Aufgrund der dargestellten Situation kann bis zur Sitzung des Finanzsenates am 26.01.2021 bzw. der Vollsitzung am 27.01.2021 ganz sicher keine einvernehmliche Lösung aufgezeigt werden.

 

Um wiederum die Fristen des Gesetzgebers sicher zu wahren, werden die Erschließungsbeitragsbescheide im Februar auslaufen.

 

Sobald die Betroffenen sich in den ersten Februartagen mit den jeweils spezifisch individuellen Zahlen der zu erwartenden Erschließungsbeiträge befasst haben, werden Anlieger und Verwaltung nochmals die Möglichkeiten einer Prozessvermeidung über einen Teilerlass nach § 16 EBS austauschen. Falls sich hier noch eine Lösung abzeichnet, wird der Stadtrat erneut befasst werden. Es würde dann der § 16 EBS im Sinne einer außergerichtlichen Einigung mit den Anliegern Anwendung finden.

 

 

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II. Beschlussvorschlag

II. Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Finanzsenat nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.
  2. Der Finanzsenat empfiehlt der Vollsitzung folgenden Beschluss:

 

Der Stadtrat beauftragt die Verwaltung mit der Umsetzung der im Sitzungsvortrag vorgeschlagenen Vorgehensweise.

 

 

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III. Finanzielle Auswirkungen:

 

Der unter II. empfohlene Beschlussantrag verursacht

 

X

1.

keine Kosten

 

2.

Kosten in Höhe von  für die Deckung im laufenden Haushaltsjahr bzw. im geltenden Finanzplan  gegeben ist

 

3.

Kosten in Höhe von  für die keine Deckung im Haushalt gegeben ist. Im Rahmen der vom Antrag stellenden Amt/Referat zu bewirtschaftenden Mittel wird folgender Deckungsvorschlag gemacht:

 

4.

Kosten in künftigen Haushaltsjahren:  Personalkosten:  Sachkosten:

 

Falls Alternative 3. und/oder 4. vorliegt:

 

In das Finanzreferat zur Stellungnahme.

 

Stellungnahme des Finanzreferates:

 

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